10vor12: Uhrenkomplikationen

Uhren sind ja von sich aus schon kompliziert – mechanische mehr als deren moderne Verwandte mit Quarzwerk. Von einer Komplikation spricht man bei Uhren allerdings erst, wenn zur klassischen Anzeige der Uhrzeit noch eine Zusatzfunktion hinzukommt. Die bekannteste Zusatzfunktion ist dabei das Datum. Aber im Laufe der Geschichte haben Uhrmacher noch zahlreiche weitere Funktionen realisiert.

Zehn der spannendsten Komplikationen stellen wir heute kurz vor:

1. Chronograph
Chronographen sind nichts anderes als Stoppuhren, erfreuen sich bei Armbanduhren heute einer überaus großen Beliebtheit und kommen dennoch nur selten zum Einsatz. Vor allem bei mechanischen Uhren wird die Komplikation unterschätzt. Neuentwicklungen bei Werken sind sehr selten, deutlich seltener als beispielsweise bei Tourbillons.

2. Schleppzeiger- oder Doppelchronograph (auch: Rattrapante)
Eine Erweiterung des Chronographen, der auch die Messung von Zwischenzeiten erlaubt. Dazu wird bei einer laufenden Messung einer der beiden Sekundenzeiger des Chronographen auf Knopfdruck gestoppt und man kann die Stoppzeit ablesen. Drückt man nochmals, springt der Zeiger wieder zum mitlaufenden Partner.

3. Mondphase
Wie der Name schon sagt, wird dabei in einem kleinen Fenster angezeigt, welches Mondalter am Himmel gerade zu sehen ist. Das Problem dabei ist, dass der Mond in der Realität mit einem sehr krummen Wert von Vollmond zu Vollmond springt (und das auch noch leicht variiert). Die meisten Mondphasenanzeigen zeigen daher einen Näherungswert an (oft 29,5 Tage).

4. Gangreserve-Anzeige
Sie zeigt an, wie viel Kraftreserven noch in einem Uhrwerk stecken. Vor allem bei Handaufzugwerken ist diese Komplikation sinnvoll. Bei einem Quarzwerk übernimmt die End-of-Life-Funktion eine ähnliche Aufgabe, die anzeigt, wenn sich der Stromvorrat einer Batterie dem Ende nähert.

5. Zeitzone
Bekanntermaßen geht die Uhr nicht überall gleich. So ist es in der Ukraine beispielsweise schon 21:45 Uhr, wenn wir es uns gegen 20:45 vor dem TV gemütlich machen, um das Endspiel der Fußball-EM anzusehen. Uhren mit Zeitzone, können diese Anzeigen. Diese Komplikation ist zunächst nicht sehr schwer zu realisieren. Spannend wird es erst, wenn mehr als zwei Zeitzonen angezeigt werden sollen, denn dann geht es auf dem Zifferblatt eventuell sehr eng zu. Eine Herausforderung ist es, auch schräge Zeitzonen anzuzeigen (z.B. liegt Nepal drei Stunden 45 Minuten vor der Mitteleuropäischen Sommerzeit).

6. Wecker
Die Funktion eines Weckers muss man nicht erklären. Ein lautes Läutwerk in einer kleinen mechanischen Uhr zu verpacken ist für Ingenieure dagegen eine Herausforderung.

7. 24-Stunden-Anzeige
Uhrwerke sind normalerweise dafür ausgelegt, den Tag in zwei Abschnitte mit je zwölf Stunden zu unterteilen. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, dass der Stundenzeiger nur einmal am Tag das Zifferblatt umrundet (z.B. wenn Tag und Nacht nicht eindeutig an der Umgebungshelligkeit zu unterscheiden sind, wie in den Polarregionen).

8. Ewiger Kalender
Das normale Datum an einer Uhr hat einen Nachteil: Fast jeden zweiten Monat muss es nachjustiert werden. Ein Ewiger Kalender berücksichtigt solche Wechsel, wie auch die Schaltjahre. Oftmals werden alle Kalenderinformationen auf dem Zifferblatt dargestellt.

9. Zeitgleichung
Die auf unseren Uhren angezeigte Zeit weicht leicht von der wahren Sonnenzeit ab. Da sich unsere Erde nicht in einem sauberen Kreis um die Sonne dreht und die Erde leicht geneigt ist, weicht die wahre Sonnenzeit bis zu 16 Minuten von der Uhrzeit ab. Die Extrempunkte liegen um den 3. November und dem 11. Februar.

10. Minutenrepetition
Die sehr klassische Komplikation stammt aus einer Zeit, als man nachts nicht einfach das Licht anknipsen konnte, um die Uhrzeit abzulesen. Daher ersann man Repetitionsuhren, die auf Knopfdruck aktuelle Stunden und Minuten mit feinem Glockenklang erklingen ließen. Heute ist die Funktion eigentlich unnötig, doch gehört der Klang einer Minutenrepetition zum Schönsten, was die hohe Uhrmacherkunst hergibt – und schwierig ist die Realisierung ohnehin.

Unsere Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus der Vielfalt der möglichen Komplikationen. Was ein Meisteruhrmacher heute in eine Armbanduhr packen kann, hat die Marke Franck Muller mit der Aeternitas Mega 4 bewiesen.

 

 

 

Witold A. Michalczyk

Witold A. Michalczyk ist erfahrener Uhrenredakteur. Wenn er nicht gerade über aktuelle Trends oder historische Aspekte der Zeitmessung recherchiert, beschäftigt er sich mit Höhlenforschung und der Geschichte des Stummfilms. Witold A. Michalczyk lebt am Rand der Schwäbischen Alb.