Wohl von keinen Künstlern des 16. Jahrhunderts ist so viel an Materialien und Archivarien überliefert wie von Benvenuto Cellini und dem Goldschmied David Altenstetter. Von letzterem handelt das Buch „Ketzer, Künstler und Dämonen“ von Bernd Roeck. Trotz der vielen Überlieferungen ist es nicht leicht, der historischen Figur Leben einzuhauchen.
Altenstetter wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in Collmar geboren. Bekannt als Goldschmied wurde er aber erst nach seiner Übersiedlung nach Augsburg, wo er eine vermögende Bürgerstochter heiratete und bald zu größeren Aufträgen kam. Was ihn darüber hinaus als historische Gestalt überaus interessant macht, ist ein Verhörprotokoll vom Dezember 1598 anlässlich eines langen Wochenendes, das der Goldschmied mit zwei befreundeten Handwerkern im Gefängnis unter dem alten Rathaus verbrachte. Ihnen wurde vorgeworfen, sich heimlich Sonntags zu treffen und regelmäßig die kirchlichen Gottesdienste zu schwänzen. Dank ihren Unschuldsbeteuerungen und der Unterstützung anderer kamen die Handwerker wieder frei.
Reizvoll für Gestalter, die möglicherweise Altenstetters Arbeiten mit ganz anderen Augen sehen werden, ist Roecks These, die seine Goldschmiedekunst mit dem Spiritualismus der Schwenckfeldianer in Verbindung bringt. Roeck vermutet, dass Altenstetter zu den Anhängern des Adligen Kaspar Schwenckfeld von Ossig (1490-1561) gehörte, der für eine von Riten, Dogmen und Bildern befreite, nach innen gerichtete Religiosität gepredigt hat. Die Ornamentgrotesken in Email-Zierscheiben, Tischuhren und Pokalen werden als Inszenierung halb dämonischer halb diesseitiger Zwitterwesen, die sich im Widerspruch zu den Konfessionskirchen stellen, gesehen. All das macht den Goldschmied nicht nur zum soliden Handwerker, sondern zum originellen Künstler. Bernd Roeck gelingt mit diesem lesenswerten Buch der Spagat zwischen Fakten und Fiktion auch wenn sich etliche Passagen wie ein zeithistorischer Roman lesen.
Titelbild: BirgitH / PIXELIO