Girard-Perregaux: Eine Revolution geht in Serie

Das energieregulierende System ist auf dem Zifferblatt klar in Szene gesetzt

Heute wird es ein wenig technisch – und überaus spannend. Denn mit dem Constant Escapement-System hat Girard-Perregaux eine echte Revolution der hohen Uhrmacherkunst präsentiert. Als vor einiger Zeit die ersten Prototypen der technischen Revolution, gezeigt wurden, zeigten sich alle anwesenden Experten überaus beeindruckt und erstaunt. Nun kommt die mechanische Innovation erstmals im Werk einer neuen Uhr zum Einsatz – und das nicht in einer limitierten Edition, sondern in einem Serienmodell. Fünf Jahre der Forschung und Entwicklung auf einem völlig neuen Gebiet hat es bedurft, um diese Konstruktion zuverlässig zu machen.

Um die Relevanz des Systems zu verstehen, sollte man ein wenig ausholen:

Das Herz einer mechanischen Uhr ist das Regulierorgan, die Unruh. Es regelt den Energiefluss vom Federhaus zum Räderwerk und letztlich auch die Geschwindigkeit der Zeigerbewegungen. Der wichtigste Aspekt ist dabei aber nicht so sehr die Geschwindigkeit dieses Herzschlags, also die gewählte Frequenz, sondern die Regelmäßigkeit der Bewegung. Diese ist wie ein Tanz und kann dreimal oder viermal in einer bestimmten Zeit erfolgen – oder sogar tausend Mal. Das wichtigste ist dabei, diesen Rhythmus selbst über längere Zeit stetig beizubehalten.

Ersatz für Schweizer Ankerhemmung

In der Uhrenmechanik hat sich als regelmäßiger Taktgeber die Schweizer Ankerhemmung als Standard durchgesetzt. Leider besitzt dieses System eine Schwachstelle: Es kann nur die Energie weitergeben, die vom Federhaus kommt – und diese nimmt mit der Zeit ab. Hier bietet das neue System von Girard-Perregaux Abhilfe. Es sorgt für eine konstante Kraft der Unruh gleichmäßig Energie zuführt, unabhängig von der Energie, die vom Federhaus kommt. Um dies zu erreichen, wurde in die Hemmung ein zusätzliches Element eingebaut, bestehend aus einer extrem dünnen, streifenförmigen Komponente. Dieser Streifen speichert Energie bis zu seinem Grenzwert zur Instabilität. Dann wird die vollständige gespeicherte Energie augenblicklich abgegeben, bevor die gleiche Prozedur wieder von vorn beginnt.

Die feinen Siliziumfedern sorgen für eine gleichmäßige Energieversorgung der Unruh

Die Funktion dieses System veranschaulicht ein Experiment: Man nimmt ein Zugticket vertikal zwischen Daumen und Zeigefinger. Nun biegt man es, um ein „C“ oder eine offene runde Klammer zu bilden. Übt man nun von der Seite her Druck auf das Material auf, spürt man einen Widerstand – bis hin zu dem Moment, in dem das Ticket auf die andere Seite schnellt und die vorhergehende Form spiegelt. Dieses Phänomen ist bekannt als Knickinstabilität, womit man den Übergang von einer Phase der Kompression zu einem gebogenen Zustand beschreibt. Fachleute sprechen von einem Knick unter Kompressionskraft. Bei dem System von Girard-Perregaux ist der dünne Streifen, der aus Silizium besteht, nur so fein wie das Sechstel eines Haares. Dennoch hat er die Funktion eines Mini-Energiespeichers. Das System ist dabei doppelt vorhanden, um die Kräfte in der Mitte des Unruhreifens auszubalancieren. Damit vermeidet man an diesem Punkt eine zu starke Beanspruchung und gewährleistet eine freie Bewegung.

Das komplette Uhrwerk wurde für eine Gangreserve von mehreren Tagen konstruiert – mit einer linearen Gangreserveanzeige auf dem Zifferblatt, welche die Effektivität der neuen Hemmung bei langen Laufzeiten zeigt. Dafür bezieht das Werk seine Energie aus zwei parallel geschalteten Federhäusern.

Technische Optik für das erste Serienmodell

Zwei Federhäuser sorgen für eine eine Gangreserve von etwa einer Woche

Das einzigartige Uhrwerk mit seiner originellen und innovativen Hemmung wird von einem Gehäuse in Szene gesetzt werden, das die Leistungen der Technik würdigt, ohne sie zu aufdringlich in den Vordergrund zu stellen.

Daher besitzt die erste mit diesem System ausgestattete Uhr ein betont technisches und zeitgenössisches Design. Gleichzeitig nimmt das Modell Bezug auf die typische Designsprache von Girard-Perregaux und die kreative Tradition des Hauses. Das Uhrwerk findet Platz in einem runden, sanft gewölbten Weißgold-Gehäuse mit 48 Millimetern Durchmesser.

Die Hemmung erinnert in ihrer Optik an die Flügel eines Schmetterlings mit dem schwingenden Streifen als Mittelachse. Sie wird gekonnt in Szene gesetzt. Stunden und Minuten werden von einem dezentralen Zifferblatt bei 12 Uhr abgelesen, flankiert von den beiden Energiespeichern, den zwei Federhäusern. Die linear gestaltete Gangreserveanzeige steht bei 9 Uhr. Der gesamte untere Teil der Uhr stellt das System des Constant Escapement in den Mittelpunkt, die alle Blicke auf sich zieht. Unter dem entspiegelten Saphirglas sind außerdem die drei Brücken zu sehen, für deren Gestaltung Girard-Perregaux bekannt ist und die eine wichtige Rolle in dieser Anordnung spielen.

Den Preis der neuen Uhr wird Girard-Perregaux im Rahmen der Baselworld 2013 bekannt geben.

 

Witold A. Michalczyk

Witold A. Michalczyk ist erfahrener Uhrenredakteur. Wenn er nicht gerade über aktuelle Trends oder historische Aspekte der Zeitmessung recherchiert, beschäftigt er sich mit Höhlenforschung und der Geschichte des Stummfilms. Witold A. Michalczyk lebt am Rand der Schwäbischen Alb.

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